Jürgen Grässlin (Deutschland) und die Informationsstelle Militarisierung (IMI)
Jürgen Grässlin
Geboren 1957 in Lörrach, studierte Jürgen Grässlin nach seiner Schulausbildung in Freiburg im Breisgau an der dortigen Pädagogischen Hochschule und ist seit 1982 im Schuldienst. Er ist verheiratet, Vater zweier Kinder und lebt in Freiburg. Er bezeichnet sich als „Humanist, Menschenrechtler und Pazifist“ und leitet daraus sein Engagement für Frieden und Abrüstung ab.
Seit den 80er Jahren arbeitet er mit beeindruckender Energie und Unermüdlichkeit für den Frieden, vor allem für Verbote von Rüstungsproduktion und Rüstungsexporten. Dies nicht nur durch unzählige Reden, Vorträge und Ansprachen, durch aufklärende und sachkundige Zeitungs-, Zeitschriftenartikel, Bücher, Aktionen vor und in Rüstungsbetrieben, Tätigkeit in friedenspolitisch aktiven Organisationen, sondern auch durch Reisen, Interviews mit und Hilfsaktionen für Opfer deutscher Waffen.
Neben seinem Dasein als Lehrer mit vollem Deputat, als Vater zweier Kinder, leistet er auch in der Friedensarbeit ein schier unglaubliches Arbeitspensum ab. Er beeindruckt dabei durch seine Kreativität, wenn es darum geht, phantasievolle und wirkungsvolle Aktionen auszutüfteln, durch seine stetige Gelassenheit, seine spürbare intensive Menschenliebe. Dabei ist er nie verbissen, sondern unbändig optimistisch und fröhlich und versteht es immer wieder, andere Menschen zu aktivieren.
Ostermärsche, Mittelstreckenraketen, Waffenhandel
Seit den 80er-Jahren war er auf ungezählten Vorbereitungstreffen, Demonstrationen und Kundgebungen ein gefragter Rüstungskritiker und Redner.
Wir kaufen keinen Mercedes!
In mehreren Büchern untersuchte er Rüstungsproduktion und Rüstungsbeteiligungen von Daimler. Gemeinsam mit anderen gründete er die „Kritischen AktionärInnen Daimler“ (KAD): jedes Mitglied kauft eine Aktie und ist damit rede- und antragsberechtigt auf der Aktionärsversammlung. In Redebeiträgen und Anträgen kritisieren die KAD Jahr für Jahr die Rüstungsexporte von Daimler/EADS an menschenrechtsverletzende und kriegführende Staaten an. Anfangs noch verlacht oder ausgebuht, finden diese Aktionen mittlerweile ein bedeutendes Medienecho.
Auch die Kampagne „Wir kaufen keinen Mercedes“, so lange Daimler/EADS in die Forschung und Entwicklung von Waffensystem sowie Rüstungsexporte verwickelt ist, wurde von ihm (mit-) entwickelt.
Seine Sachkunde, sein in langen Jahren erarbeitetes (Insider-)Wissen und seine überzeugende Vortragsweise sind bei den Rüstungsfirmen gefürchtet. Sie scheuen die öffentliche Diskussion mit Jürgen Grässlin wie der Teufel das Weihwasser. Inhaltlich konnten ihm praktisch nie Fehler nachgewiesen werden, dafür wurde und wird Grässlin mit Prozessen auf Nebenfeldern überzogen, um ihn mundtot zu machen. Mehrmals stand er wegen hoher Prozesskosten am Rande des finanziellen Ruins.
Den Opfern eine Stimme geben
Er bereiste Somalia, Kenia, die Türkei und Türkisch-Kurdistan und interviewte zahlreiche Opfer des von Heckler & Koch („Deutschlands tödlichstes Unternehmen“) entwickelten Schnellfeuergewehrs G3. Aus dem gesammelten Material entstand das Buch „Versteck dich, wenn sie schießen“.
Aus den Einnahmen von Buchlesungen gründete er den „DAKS-Fonds“, um den Opfern deutscher „Kleinwaffen“-Exporte Gesicht und Stimme zu geben und sie nach Deutschland einzuladen.
Deutsches Aktionsnetz Kleinwaffen Stoppen (DAKS)
Jürgen Grässlin weist unermüdlich darauf hin, dass weit mehr Menschen an sogenannten „Kleinwaffen“ sterben als an Bomben und Granaten. Allein mit den Waffen der deutschen Firma Heckler & Koch wurden mehr als 1.500.000 Menschen getötet, das ergibt über die Jahre 30 Tote pro Arbeitsplatz. Um dem entgegenzuwirken, wurde das DAKS von ihm mitgegründet, an dem eine Reihe von nationalen und international tätigen Friedensorganisationen beteiligt sind. Das DAKS setzt sich u.a. für striktere Exportkontrollen solcher Waffen ein. Grässlin erstattete Strafanzeige gegen H&K wegen des Verdachts illegaler G36-Gewehrexporte nach Mexiko.
„Rüstungsexporte sind wegen ihrer riesigen Opferzahlen der schlimmste Auswuchs deutscher Außen- und Wirtschaftspolitik. Wir laden massiv Schuld auf uns. Das lässt sich in einer Gesellschaft mit unseren Werten nicht rechtfertigen.“ (Jürgen Grässlin)
Funktionen:
Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Bundessprecher (seit 1999)
Kritische AktionärInnen Daimler (KAD), Sprecher (seit 1991)
Deutsches Aktionsnetz Kleinwaffen Stoppen (DAKS), Mitbegründer, Sprecher (seit 2002)
„Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel!“, Sprecher der neuen Kampagne (seit Mai 2011)
RüstungsInformationsBüro e.V. (RIB e.V.), Mitbegründer und Vorsitzender bzw. Vorstandsmitglied (seit 1992)
Auszeichnung:
2009: „Preis für Zivilcourage“ der Solbach-Freise-Stiftung
Mitgliedschaften:
amnesty international,
attac,
Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK),
Deutsches Aktionsnetz Kleinwaffen Stoppen (DAKS),
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW),
Verband Deutscher Schriftsteller (VS) in ver.di,
Verkehrsclub Deutschland (VCD)
Buchpublikationen (Auswahl).:
Jürgen Grässlin: Den Tod bringen Waffen aus Deutschland, Droemer Knaur, München 1994, ISBN 3-426-80029-2
Jürgen Grässlin: Daimler-Benz. Der Konzern und seine Republik, Droemer Knaur, München 1995, ISBN 3-426-80064-0
Jürgen Grässlin: Jürgen E. Schrempp. Der Herr der Sterne, Droemer Knaur, München 1998, ISBN 3-426-27075-7
Jürgen Grässlin: Lizenz zum Töten? Wie die Bundeswehr zur internationalen Eingreiftruppe gemacht wird, Droemer Knaur, München 1997, ISBN 3-426-80081-0
Jürgen Grässlin: Versteck dich, wenn sie schießen. Die wahre Geschichte von Samiira, Hayrettin und einem deutschen Gewehr, Droemer Knaur, München 2003, ISBN 3-426-27267-9
Jürgen Grässlin: Das Daimler-Desaster. Vom Vorzeigekonzern zum Sanierungsfall?, Droemer, München 2005, ISBN 3-426-27267-9
Jürgen Grässlin: Abgewirtschaftet?! Das Daimler-Desaster geht weiter, Knaur Tb., München 2007, ISBN 3-426-77977-3
Filme über/mit Jürgen Grässlin
»Einer gegen Daimler. Rüstungsgegner Jürgen Grässlin« (Sigrid Faltin und Peter Ohlendorf , WDR 1998)
»Das G3 im Visier« (Peter Ohlendorf, SWR 2004)
»Tödliche Geschäfte – Waffen aus Deutschland« (Peter Ohlendorf, 2005, ARD)
»Keine Kompromisse« (Jan-Hauke Hilberg, 2007)
»Allein gegen die Waffenindustrie – Der Kampf des Jürgen Grässlin« (WDR 2009)
web-links:
Informationsstelle Militarisierung
Wer oder was ist IMI?
IMI, die Informationsstelle Militarisierung, ist eine (ehrenamtliche) antimilitaristische Denkfabrik. In Form eines gemeinnützigen Vereins (e.V.) wollen die Mitglieder des Vereins ein Scharnier zwischen Wissenschaft und Friedensbewegung sein. IMI liefert Hintergrundinformationen, Analysen und Einschätzungen, die für die Friedensbewegung so wichtig sind.
Die Arbeit von IMI zeichnet sich durch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten im friedenspolitischen Bereichen mit einem starken Fokus auf Deutschland und seine Rolle in der Welt aus. Arbeitsbereiche sind Friedens- und Konfliktforschung, Rüstung und Rüstungsexporte, Umstrukturierung der Bundeswehr, Militarisierung in Europa, NATO sowie Flüchtlingspolitik.
Mit dem Aachener Friedenspreis soll der Verein Informationsstelle Militarisierung e.V. ausgezeichnet werden.
Was macht IMI?
IMI versucht, überall dort präsent zu sein, wo Argumente und Argumentationen nachgefragt werden – wo der Widerstand gegen die Militarisierung der Gesellschaft mit Informationen unterfüttert werden muss. Dieser Anspruch spiegelt sich natürlich auch in der praktischen Arbeit des Vereins wider. So organisiert und beteiligt sich die Informationsstelle Militarisierung an Kampagnen (z.B. gegen Rekrutierungsversuche der Bundeswehr an Schulen) und beteiligt sich an Protesten wie etwa gegen die jährliche NATO-Sicherheitskonferenz in München.
Darüber hinaus veranstaltet die IMI alljährlich einen mehrtägigen Kongress und IMI-Referentinnen sind jedes Jahr auf weit über 200 bis 300 Vortragsveranstaltungen von regionalen Foren bis zu internationalen Kongressen präsent. Dort bringen sie Informationen über aktuelle Militarisierungstendenzen ein, deren inhaltliche und publizistische Aufbereitung den eigentlichen Schwerpunkt der IMI-Arbeit darstellt.
Jährlich publiziert die Informationsstelle Militarisierung etwa 15-20 ausführliche Studien, zwischen 30 und 40 Analysen und bis zu 100 Kurzartikel zu einer breiten Palette friedenspolitischer Themen. Kern des Selbstverständnisses der IMI ist es, alle diese Informationen kostenlos auf der IMI-Internetseite zur Verfügung stellen, um so eine möglichst hohe Verbreitung zu garantieren. Hierdurch ist die IMI-Homepage (www.imi-online.de) zu einer der umfangreichsten und am häufigsten frequentierten Internetseiten der Friedensbewegung geworden. Darüber hinaus erscheint zweimonatlich ein eigenes IMI-Magazin, der AUSDRUCK, der ebenfalls kostenlos im Internet zur Verfügung steht. Zudem veröffentlicht die IMI auch Bücher, Buchartikel und Broschüren zu wichtigen friedenspolitischen Anlässen und Themen und ist z.B. auch an der Zeitschrift „Wissenschaft und Frieden“ beteiligt.
Zur Geschichte
Unmittelbarer Gründungsanlass war die Aufstellung des Kommando Spezialkräfte (KSK) in Calw, das als Spitze des Eisbergs des neuen deutschen Militarismus geradezu symbolhaft für die dramatische Umstrukturierung der Bundeswehr hin zu einer globalen Kriegstruppe stand und bis heute steht. Obwohl die Bundeswehr und ihre Kriege weiterhin einen zentralen Schwerpunkt unserer Arbeit darstellen, sind inzwischen viele weitere Themenbereiche hinzugekommen, etwa die Aufklärung über die Militarisierung der Europäischen Union, um hier nur ein Beispiel zu nennen.
Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) ist seit März 1996 als gemeinnütziger Verein organisiert, der sich fast ausschließlich durch ehrenamtliche Arbeit und Spenden trägt. Ziel der IMI ist es, friedliche Konfliktlösungsmöglichkeiten zu fördern sowie Aufklärungsarbeit gegen diUnmittelbarer Gründungsanlass war die Aufe Militarisierung der Bundesrepublik Deutschland zu leisten. Hierbei nimmt sie eine kritische Haltung zur deutschen Beteiligung an Angriffskriegen, zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren und zum Abbau der Bürger- und Menschenrechte ein.
Staatliche Repression und wichtige Solidarisierung
Wiederholt kam es im Zuge der friedenspolitischen Arbeit zu Repressionsmaßnahmen gegen die Informationsstelle Militarisierung und einzelne ihrer Mitarbeiterinnen. So sah sich beispielsweise IMI-Vorstandsmitglied Tobias Pflüger einem Prozess wegen Aufrufs zur Desertation ausgesetzt, als er deutsche Soldatinnen dazu aufforderte die Beteiligung am völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien zu verweigern. Auch im Rahmen der Beteiligung an den Protesten gegen die NATO-Sicherheitskonferenz in München kam es wiederholt zu Repressionsmaßnahmen gegen die Informationsstelle.
Im Jahr 2007 entzog das Tübinger Finanzamt – auf Veranlassung staatlicher Behörden – die Gemeinnützigkeit. Gleichzeitig drohte das Finanzamt sogar die Rückversteuerung sämtlicher Einnahmen der letzten sechs Jahre (mit 40%) an, was faktisch der finanzielle Ruin der Informationsstelle Militarisierung bedeutet hätte. Begründet wurde die Maßnahme mit „Zweifel, ob der Verein auf dem Boden der Verfassung steht“. Das liegt natürlich nahe, wenn ein solcher Verein die Beteiligung deutscher Truppen am Krieg gegen Jugoslawien als völkerrechtswidrig nachweist und verurteilt.
Glücklicherweise konnte durch eine breite Solidarisierungskampagne erreicht werden, dass dieser Schritt rückgängig gemacht wurde. Allerdings steht IMI weiter unter „verstärkter Beobachtung“, weshalb die Auszeichnung mit dem Aachener Friedenspreis eine wichtige Unterstützung für die unerlässliche Arbeit dieses Vereins darstellen würde.
Die IMI arbeitet seit 15 Jahren nachhaltig und stellt der Friedensbewegung umfangreiche Analysen zur Verfügung, in denen – wichtig für den nationalen Friedenspreisträger – immer auch die deutsche Rolle und die deutschen Interessen (Waffenexporte, Wirtschaftsinteressen, Einflussnahme auf ausländische Regierungen, Kontrolle von Flüchtlingsströmen, etc.) in internationalen Krisen und Konflikten hinterfragt werden.
Internet:
http://de.wikipedia.org/wiki/Informationsstelle_Militarisierung
Begrüßungsrede von Karl-Heinz Otten
Dankesrede – Informationsstelle Militarisierung
Pressemitteilung – Internationale Liga der Menschenrechte
Fotos vom Vorabend der Preisverleihung
Fotos: Heribert Sauerwein / Werner Consten
[envira-gallery id=“803″]
Fotos vom Tag der Preisverleihung
Fotos: Heribert Sauerwein / Werner Consten
[envira-gallery id=“804″]