Alejandro Cerezo Contreras (Comité Cerezo) + Borderline Europe (Menschenrechte ohne Grenzen e.V.)
Alejandro Cerezo Contreras und das Comité Cerez
Die Lebenssituation der mexikanischen Bevölkerung und insbesondere die Arbeitsbedingungen von Menschenrechtsverteidiger/innen haben sich insbesondere seit 2006 enorm verschlechtert. Ende des Jahres 2006, kurz nach der wegen massiven Fälschungsvorwürfen äußerst umstrittenen Präsidentschaftswahl, hatte der neue Amtsinhaber Felipe Calderón einen „Krieg gegen die Drogen“ ausgerufen. Es folgte eine Militarisierung der Gesellschaft und der Versuch, die Drogenkartelle militärisch zu besiegen. Um die 50.000 Menschen sind durch diesen Krieg bis heute getötet worden. Opfer dieser Politik sind aber vor allem auch Unbeteiligte sowie soziale und politische Organisationen wie das Comité Cerezo, die die Militarisierung, Menschenrechtsverletzungen, Machtmissbrauch und Korruption öffentlich machen und sich gewaltfrei gegen die Kriegslogik von Kartellen und Regierung engagieren. In kaum einem anderen Land Lateinamerikas leben Menschenrechtsverteidiger/innen und Journalist/innen so gefährlich, wie in Mexiko.
Aufgrund ihres Engagements für die Einhaltung der Grundrechte in der militärischen Konfrontation und den Schutz der unbeteiligten Bevölkerung sind das Comité Cerezo und seine Mitglieder wiederholt Ziel von Morddrohungen und Verfolgung geworden. Auch Alejandro Cerezo Contreras ist davon betroffen. Unter anderem im Juli 2007 und im November 2011 erhielt er Anrufe bzw. E-Mails, in denen ihm mit dem Tod gedroht wurde. Wiederholt wurde er von Unbekannten verfolgt und fotografiert. Dies geschah, obwohl ihm im Oktober 2006 von Seiten des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (CIDH) Schutzmaßnahmen zugesprochen wurden, die zumindest teilweise auch durch mexikanische Behörden umgesetzt wurden. So erhielt er z.B. vom Innenministerium eine geheime Telefonnummer zur Verfügung gestellt. Dennoch erreichte ihn am 20. Juni 2007 ein anonymer Anruf, bei dem auf der Mailbox des Mobiltelefons ein Mitschnitt eines Gesprächs mit seiner Schwester Emiliana Cerezo Contreras hinterlassen wurde. Wie dieses Gespräch aufgenommen werden konnte, ist unklar, aber den Betroffenen soll auf diese Weise offenkundig deutlich gemacht werden, dass man sie beschattet und sie nichts dagegen tun können. Im November 2011 erhielt das Komitee per E-Mail eine Morddrohung, in der detailliert Familienbeziehungen und Namen der Menschenrechtsverteidiger aufgelistet wurden und ihnen gedroht wurde.
In den etwas mehr als zehn Jahren ihrer Tätigkeit haben die Mitglieder des Komitees bereits mindestens 13 Morddrohungen erhalten. Digna Ochoa y Placido, die Anwältin des Menschenrechtszentrums „Miguel Agustín Pro Juárez“ (Prodh), die die Cerezo-Brüder in ihrem Verfahren vertrat, wurde im Oktober 2001 ermordet. Seit 2002 wird das Comité Cerezo von der Menschenrechtsorganisation Peace Brigades International (PBI) begleitet.
Trotz aller Einschüchterungsversuche hat Alejandro Cerezo Contreras gemeinsam mit seinen Mitstreitern des Comité Cerezo bis heute seinen Kampf um die grundlegenden Rechte der mexikanischen Bevölkerung nicht aufgegeben. Er steht meiner Meinung nach beispielhaft für den Kampf um eine friedliche und gerechte Gesellschaft, in der ein Leben Aller in Würde möglich ist.
Website des Comité Cerezo
Borderline Europe – Menschenrechte ohne Grenzen e.V.
„Wo Menschen auf dem Land und auf dem Meer zu Tausenden unbemerkt und allein gelassen sterben, wo Menschen gefoltert werden und diejenigen, die zu helfen versuchen, kriminalisiert werden, ist das unser Europa?“
— Katherine Jürgens und Judith Gleitze im Vorwort zum Jahresbericht Borderline Europe 2010
Der Verein versteht seine Arbeit als Akt des zivilen Widerstands gegen die Abschottung der EU und ihre tödlichen Folgen. Ziele sind die umfassende Information der Öffentlichkeit, die Vernetzung europäischer Initiativen und die Lobbyarbeit auf nationaler und auf EUEbene. Die Arbeit von Borderline Europe wird hauptsächlich von ehrenamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geleistet.
Nicht zuletzt seit der Gründung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex im Jahr 2004 spielen sich an den Außengrenzen der EU menschliche Tragödien unfassbaren Ausmaßes ab. Das wahre Ausmaß dieser Tragödie wird von offizieller Seite verschwiegen, die Bürgerinnen und Bürger Europas sollen nicht erfahren, was sich an den Außengrenzen der EU tatsächlich abspielt.
Borderline Europe hat sich zum Ziel gesetzt, dieses Schweigen zu brechen, den Vertuschungsversuchen der Behörden mit präzisen Recherchen in den Grenzregionen entgegenzuarbeiten und Öffentlichkeit herzustellen, um auf der Grundlage zuverlässiger Informationen den tödlichen Konsequenzen der Abschottungspolitik entgegenzuwirken.
Das Ziel, dieses Schweigen zu brechen und Öffentlichkeit herzustellen, verfolgt und erreicht der Verein durch
- Konstante Beobachtung der Situation an den EU-Außengrenzen;
- Ein Online-Magazin, in dem Flüchtlingstragödien öffentlich gemacht und dokumentiert werden;
- Vorträge, Veranstaltungen, Kabarett, Theater, Presseveröffentlichungen;
- Zahlreiche Dokumentationen/Publikationen zum Thema;
- Unterstützung von Initiativen zur humanitären Hilfe an den Grenzen.
Der Verein hat seinen Sitz in Berlin (vormals Potsdam) und betreibt Außenstellen in Österreich und Italien.
Weitere Informationen: www.borderline-europe.de
Begrüßungsrede von Tina Terschmitten
Dankesrede – Alejandro Cerezos
Impressionen der Preisverleihung
Fotos: Michael Klarmann
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Grußworte früherer Preisträger
Herbert Kaefer (Preisträger 1991)
Ich finde es gut, dass erneut eine Gruppe ausgezeichnet wird, die auf die Situation von Flüchtlingen – diesmal an den Grenzen von Schengenland – hinweist.
Mit freundlichen Grüßen
Herbert Kaefer
Bernhard Nolz (Preisträger 2002)
Ich gratuliere den diesjährigen PreisträgerInnen ganz herzlich zur Verleihung des Aachener Friedenspreises.
Es ist richtig und wichtig, dass der Aachener Friedenspreis in diesem Jahr Gruppen ehrt, die sich staatlicher Willkür und Ungerechtigkeit widersetzen. Es ist bedrückend zu erfahren, wie Regierungen und Gerichte überall auf der Welt Unrecht und Gewalt nach innen und außen praktizieren und legitimieren.
Es fällt auf die Regierenden in Mexiko und in der Europäischen Union zurück, dass Menschenrechtsorganisationen tätig werden müssen, um die Not der Menschen zu lindern und für deren Rechte zu kämpfen.
Der Aachener Friedenspreis weist auf diesen Missstand hin und macht nicht nur den diesjährigen PreisträgerInnen Mut, sondern allen, die sich für eine Welt ohne Gewalt einsetzen.
Allen meine herzlichsten Grüße
Bernhard Nolz
Berliner Compagnie (Preisträger 2009)
Die Berliner Compagnie gratuliert dem „Comité Cerezo“ und „Borderline Europe“ recht herzlich zum Aachener Friedenspreis. Wir können an der Feier zwar nicht persönlich teilnehmen, aber sind mit den Gedanken am ersten September in Aachen. Aus eigener Erfahrung können wir Euch sagen, dass der Preis für die Selbstvergewisserung, Stabilität und Weiterarbeit einer am Rand der Gesellschaft operierenden Menschenrechtsgruppe von nicht zu überschätzender Bedeutung ist.
Helma Fries
Tobias Pflüger, Informationsstelle Militarisierung e.V. (Preisträger 2011)
Die Situation werde ich nicht mehr vergessen, wie Luisa Morgantini und ich, als damals gerade frisch gewählter Europaabgeordneter, am 16. Juli 2004 die drei festgenommenen Elias Bierdel, Stefan Schmidt und Vladimir Daschkewitsch im Gefängnis von Agrigento auf Sizilien besucht haben und ihnen ihre bevorstehende Freilassung mitteilen konnten.
Aber: die von ihnen aufgenommenen Flüchtlinge waren in andere Gefängnisse verbracht worden, das Schiff war beschlagnahmt und der Prozess gegen sie sollte noch viele Jahre dauern. Doch: Sie hatten ein wichtiges Zeichen gesetzt.
Der Aachener Friedenspreis an Borderline Europe ist ein weiteres deutliches Zeichen gegen die Unmenschlichkeit wie mit Menschen umgegangen wird, die vor Not fliehen. Die mörderische Abschottungspolitik der EU gegen Flüchtlinge, für die FRONTEX nur ein Beispiel ist, muss endlich aufhören!
Tobias Pflüger