Klassischer ziviler Ungehorsam für den Hambacher Wald
Am kommenden Wochenende wird es am Hambacher Wald klassisch. Wo nach drei Wochen brutaler Räumung und absurder Zerstörung keine Baumhäuser mehr existieren, soll Musik die dramatischen Bilder untermalen und zugleich Ausdruck der noch immer nicht aufgegebenen Hoffnung auf eine Wendung der Ereignisse sein. Das Protestorchester Lebenslaute plant eine überregionale Aktion – wann und wo genau, wird noch bekanntgegeben.
2014 erhielten die Lebenslaute den Aachener Friedenspreis für ihren künstlerisch anspruchsvollen Protest. In edler Konzertkleidung, mit Gesang und Instrumenten protestiert das Ensemble gegen Militarismus, Rüstungsindustrie, den Verfassungsschutz und eben auch den Braunkohleabbau. Bereits 2012 und 2015 demonstrierte die Gruppe im Rheinischen Braunkohlerevier ihre klare Haltung mit wohlklingender Klassik. Zur von mehreren NGOs initiierten Großdemonstration am 6. Oktober und dem Waldspaziergang am 7. Oktober kündigen sie nun erneut an, im Umfeld des Hambacher Waldes einen ihrer zivil ungehorsamen Auftritte zu absolvieren.
Der Aachener Friedenspreis e.V. sieht durch die Entwicklungen im Hambacher Wald sein Kernthema berührt. „Der Konzern RWE bricht hier laufend alle Regeln des friedlichen Zusammenlebens“, konstatiert Lea Heuser, Pressesprecherin des Vereins. „Neben den an Menschenrechtsverletzungen grenzenden Umsiedlungen und Enteignungen, der lokal hochproblematischen Luftverschmutzung durch Feinstaub und Quecksilber und der Zerstörung 12.000 Jahre alter Natur vergiftet RWE mit seinen immensen CO2-Emissionen das Weltklima“, so Heuser. Das angebliche Allgemeinwohl, für das die Braunkohle weiter zur Stromgewinnung verheizt werden müsse, sieht sie durch diesen Umstand unmittelbar konterkariert.
Auch die bei Räumungen und Durchsuchungen angewandte Polizeigewalt, oftmals gegen vollständig friedliche Sitzblockaden oder gar die Presse, kritisiert der Verein scharf. „Wir sind davon überzeugt, dass der allergrößte Teil der Waldschützer*innen Gewalt als Mittel des Protests ablehnt“, so Heuser. Bei der vielfach in den Medien kolportierten verallgemeinernden Diffamierung der Aktiven als Ökoterroristen sei die Absicht viel zu offensichtlich: „Hier sollen Menschen kriminalisiert und Repressionen gerechtfertigt werden“. NRW-Innenminister Reul zeigte medienwirksam eine Sammlung von angeblich im Wald beschlagnahmten Waffen, die jedoch keineswegs aktuelle Funde sondern schon Jahre alt waren. „Von unfriedlichem Protest distanziert sich ein Verein wie der Aachener Friedenspreis e.V. selbstverständlich in aller Deutlichkeit. Wir halten das aber für Einzelfälle, die dem Pluralismus der Aktiven geschuldet sind und den Protest als Ganzes keineswegs entwerten“, sagt die Pressesprecherin.
Heuser stellt das hanebüchene Verhalten der Landesregierung in eine Reihe mit dem als Begründung für die Räumung angeführten angeblichen Brandschutz, #eimergate und #gartenlaubengate. Bei letzteren beiden Hashtags handelte es sich um Symbole irritierenden Polizeihandelns. Als #gartenlaubengate wurde die mit riesigem Polizeiaufgebot an einer Raststätte beschlagnahmte Gartenlaube bekannt, die auf dem Klimacamp Ende August als Solidaritätsbaumhaus für den Hambacher Wald gebastelt und von Kindern bunt bemalt worden war. #eimergate steht für einen im Wald gefundenen Bauschutteimer, der von der Polizei wider besseres Wissen als von oben herabstürzende, als Falle konzipierte Lebensgefahr interpretiert wurde. In Wahrheit handelte es sich um ein zum Klettern notwendiges Gegengewicht, das den Boden nie verlassen hat.
Der Aachener Friedenspreis e.V. ruft dazu auf, sich am 6. Oktober an der Großdemonstration von BUND, Campact, Greenpeace, Naturfreunde Deutschland und den Buirern für Buir oder am 7. Oktober am Waldspaziergang mit Michael Zobel zu beteiligen. „Klima- und Friedenspolitik sind längst nicht mehr voneinander zu trennen“, sagt Heuser. „Wer sich für Frieden stark macht, muss gegen Klimazerstörung kämpfen, denn der Klimawandel ist eine der größten Bedrohungen des Friedens in immer mehr Regionen der Erde“.