Aachener Friedenspreis e.V. wehrt sich gegen Kriminalisierung von Preisträger*innen und fordert nachhaltige Energiewende
Am 14.03.22 finden gegen vier Mitglieder der 2014 mit dem Aachener Friedenspreis geehrten Gruppe Lebenslaute Strafprozesse statt. Der Vorwurf lautet Hausfriedensbruch, weil die Musik-Aktivist*innen am 15.08.21 mit einem klassischen Konzertauftritt den Braunkohletagebau Garzweiler II zum Stillstand gebracht haben. Insgesamt sind gegen rund 30 Aktivist*innen Ermittlungen im Gange. Am ersten Prozesstag wird die Gruppe daher vor dem Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt in der Brucknerallee 115 ab 08:30 Uhr eine musikalisch untermalte Mahnwache abhalten und ruft zur solidarischen Prozessbegleitung auf.
Das Netzwerk „lebenslaute. klassische musik – politische aktion“ erhielt im Jahr 2014 den Aachener Friedenspreis, damals vor allem wegen ihrer kreativen Proteste gegen die US-Atomwaffen am Fliegerhorst Büchel – auch dies wieder ein zunehmend wichtiges Thema. Am 15.08.21 hatten sich etwa 100 lebenslaute-Aktivist*innen an drei Orten zu selben Zeit in den Braunkohletagebau Garzweiler II begeben, um dort über Stunden zu musizieren. Das führte zu einem zeitweiligen Stillstand der Kohleförderung. An einer Stelle kam es zu tätlichen Angriffen des Werkschutzes von RWE. Vier Musiker*innen trugen zum Teil erhebliche Verletzungen davon. Die Aktion stand im Kontext der Proteste der Kampagne „Alle Dörfer bleiben“ und des Festivals „Kultur ohne Kohle“.
Seit Jahren verteidigen Menschen in der Region ihre Heimat und die natürlichen Lebensgrundlagen gegen den extrem klimaschädlichen Rheinischen Braunkohletagebau. Sie kämpfen darum, das 1,5°C-Ziel des Pariser Klima-Abkommens einzuhalten. Eine derartige Begrenzung der Klimaerwärmung ist aber nur noch möglich, wenn der Braunkohleabbau sofort gestoppt wird. „Eine zugespitzte, existentielle Situation erfordert zugespitzten Protest, denn mit bisherigen Protestformen von Briefen, Demonstrationen, Eingaben, Blockaden, Tribunalen und regelmäßigen Wald- und Dorfspaziergängen stießen wir nur auf taube Ohren“, sagt Musikerin Clara Luft. Dabei berufen sich Lebenslaute auf ihre demokratische Pflicht, die im Grundgesetz verankerten Grundrechte zu verteidigen, die von Politik und Konzernen wie RWE mit Füßen getreten werden. Die Unwetterkatastrophe des vergangenen Jahres, der aktuelle IPCC-Klimabericht und sogar die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Nachhaltigkeitsverpflichtung allen staatlichen Handelns bestätigen sie in der Dringlichkeit.
Der immer angekündigte und gewaltfreie zivile Ungehorsam der LEBENSLAUTE ist ein Ausdruck des Widerstands gegen Unrecht mit künstlerischen Mitteln dort, wo andere Mittel versagt haben. „LEBENSLAUTE geht mit ihren Konzerten in Chor- und Orchesterstärke an Orte, wo menschenfeindliches Unrecht geschieht. Wie klassische Musik als Protestform irgendeinen Hausfrieden bedrohen soll, halten wir für sehr erklärungsbedürftig“, wundert sich Friedenspreis-Pressesprecherin Lea Heuser. „Gerade jetzt, vor dem Hintergrund der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern, die wir nicht nur zerstörerisch vor der eigenen Haustür abbauen sondern auch von Kriegstreibern importieren, wird die nachhaltige Energiewende umso unausweichlicher“, ergänzt Heuser.