Gerade noch so die Kurve gekriegt?
RWTH Aachen hält sich nicht an Zivilklausel und stellt sich unwissend
Der Aachener Friedenspreis e.V. kritisiert scharf das Verhalten der Rheinisch Westfälischen Technischen Hochschule. Wie am 31.08.17 öffentlich wurde, erstellte die RWTH Aachen im Sommer 2016 eine Machbarkeitsstudie für eine Panzerfabrik in der Türkei, angeblich, ohne von den Panzern zu wissen. Im März 2017 ging bereits durch die Medien, dass der Rüstungskonzern Rheinmetall gemeinsam mit der türkischen Firma BMC die Fabrik in Karasu plant. Der Skandal war groß, denn ein derart in die Autokratie abdriftendes Land mit weiteren militärischen Repressionsmitteln und Kriegsgerät auszurüsten, verbietet sich nicht nur aus Sicht des Aachener Friedenspreis e.V.; die neue Dimension des Falles um die Beteiligung des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) der RWTH Aachen, einer in der allgemeinen Wahrnehmung renommierten, technischen Exzellenzuniversität mit Zivilklausel, treibt den Verein nun endgültig auf die Barrikaden.
Im Auftrag für die Studie war nach Angaben der RWTH zunächst nur von Nutzfahrzeugen ohne einen militärischen Bezug die Rede. Die Auftraggeber seien weder Rheinmetall noch BMC ewesen, so ein am 04.09.17 veröffentlichtes Statement der Hochschule. „Auf den ersten Blick mag es erfreulich wirken, dass die RWTH aus dem Projekt ausgestiegen ist, als sie gemerkt hat, woran sie da forscht“, erklärt Lea Heuser, Pressesprecherin des Aachener Friedenspreis e.V., „Es fällt allerdings sehr schwer zu glauben, dass bei der angeblichen Überprüfung der Auftraggeber im Vorfeld niemand die Beteiligung von BMC und Rheinmetall bemerkt haben will“. In Wahrheit habe die Hochschule vermutlich einfach kalte Füße bekommen, als Waffendeals mit der Türkei in immer breitere Kritik gerieten.
In einem Bericht der Aachener Nachrichten vom 02.09.17 bezeichnete Günter Schuh, Leiter des Werkzeugmaschinenlabors (WZL), es ausdrücklich als Fehler, dass sein Mitarbeiter in der vorzeitigen Abschlusspräsentation zum Projekt auch auf gepanzerte und militärisch genutzte Fahrzeuge eingegangen sei. Der Aachener Friedenspreis e.V. sieht hier ein klares Eingeständnis: Um ein solches Ergebnis präsentieren zu können, müsse dem WZL bereits lange vor Abbruch des Projekts die militärische Verquickung klar gewesen sein. Das plötzliche Auftauchen solch brisanter Informationen aus dem Nichts hält der Verein für extrem unrealistisch.
Bei diesem Fall kann es sich nach Ansicht des Vereins nur um die Spitze des Eisbergs handeln. Es sei bekannt, dass die RWTH Rüstungsforschung betreibt. Nicht zuletzt habe sie 2012 sogar eine eigene Professur für Rüstung eingerichtet – die Professur „Technologieanalysen und -vorausschau auf dem Gebiet der Sicherheitsforschung“ an der Fakultät für Maschinenwesen.
Der Aachener Friedenspreis e.V. sieht sich in seiner Kritik an der vor zwei Jahren von der RWTH eingeführten vermeintlichen Zivilklausel bestätigt. „Der Fall zeigt, dass sie das Papier nicht wert ist, auf dem sie steht“, so Heuser. In der jetzigen Form sei die Klausel ein unbeholfener Whitewashing-Versuch und eine reine PR-Maßnahme. „Wir fordern die RWTH nachdrücklich auf“, so Heuser, „endlich eine Zivilklausel einzuführen, die diese Bezeichnung verdient. „Die RWTH muss sich verbindlich dazu verpflichten, ausschließlich zu zivilen Zwecken zu forschen und zu lehren“. Die derzeitige Situation führe die Existenz einer Zivilklausel ad absurdum, so Heuser.
Hintergrund:
Eine Zivilklausel ist ein Passus in der Grundordnung einer Forschungseinrichtung, in dem diese sich verpflichtet, ausschließlich für zivile, friedliche Zwecke zu forschen und nicht mit Rüstungsunternehmen und anderen Kriegstreiber*innen zusammenzuarbeiten. Der Arbeitskreis Antimilitarisierung im Aachener Friedenspreis e.V. und die Grüne Hochschulgruppe hatten in den letzten Jahren mehrfach mit Gesprächen und Veranstaltungen Druck auf die RWTH ausgeübt, sich eine solche Selbstverpflichtung zu geben. Die letztendlich von der RWTH eingeführte Klausel lautet „Die RWTH verfolgt ausschließlich friedliche Ziele und leistet insofern einen Beitrag zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt“. Aus Sicht des Aachener
Friedenspreis e.V. geht der Sinn einer „Zivilklausel“ verloren, wenn der Begriff „zivile Zwecke“ darin nicht vorkommt. Dabei geht es um den Ausschluss der von Auftraggeber*innen verfolgten, militärischen Zwecke und ihrer ebensolchen Verwendung der Forschungsergebnisse. Als Einsatz für „friedliche“ Ziele werde schließlich auch jeder Kriegseinsatz verkauft.